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De Schuaster

Mia die Feder > Ois davor

Das Schusterehepaar

Also Theres braucht keine Ratscherei in der Nachbarschaft. Sie hat alles, was sie liebt
und braucht.
Nur ein Ehepaar ist für Theres interessant. In der Nachbarschaft hat ein Schuster seine
kleine Werkstatt. Er lebt mit seiner Frau in sehr bescheidenen Verhältnissen. Dies sind die
einzigen Menschen, zu denen sie einen lockeren Kontakt pflegt.
Es sind auch wirklich nette Leute.
Leni, die Schustersfrau, kann Karten legen und davon ist Theres fasziniert. Leni erklärt ihr
die Legungen. Zu ihrer Überraschung bekommt sie eins Tages von ihr ein Kartendeck
geschenkt. Theres praktiziert zwar das Kartenschlagen nicht, aber sie freut sich über ihr
Können.  
Zuhause verwahrt sie die Karten in einer Schublade, denn Georg hat für solche Dinge kein Verständnis. Auch nicht  dafür, dass sich seine sonst so praktische und bodenständige Frau
mit solchen Dingen  befasst.
Auch der Schuster Josef übt eine Faszination auf Theres aus.
Sie will lernen, wie man Schuhe macht, zwar nicht aus Leder, aber aus Stoff.
Bald beherrscht sie dieses Handwerk fast aus dem FF. Als ihr dann Josef  eines Tages erklärt,
dass er  seine Tätigkeit aus Gesundheits- und Altergründen aufgeben will, erwirbt sie sein
Werkzeug (Leisten, Nadeln, Scheren, Lederfeilen, Dechse (Nägel, und was  eben so da ist)  
zu einem günstigen Preis.
Diese Sachen  kommen in ihr Näh- und Arbeitszimmer, damit sie alles "beieinand" hat.
Inzwischen schreibt man das Jahr 1927.

1927 Der Geburtstag von Georg steht bevor, aber....

Über zehn Jahre sind Georg und Theres nun glücklich verheiratet. Sie mögen sich immer
noch sehr.
Töchterchen Thea wird im schon ihre Erstkommunion schon feiern.
Das Leben läuft wie am Schnürchen. Es sind keine Wünsche offen!
Gerade heute denkt Theres über die schöne Zeit zurück. Ach ja, übermorgen hat Georg
Geburtstag. Da ist es doch selbstverständlich, dass sie ihm seinen Lieblingskuchen backen
wird.
Als Georg Feierabend hat, sagt sie ihm kurz Bescheid, dass sie noch kurz zur Krämerin geht
um die fehlenden Zutaten zu besorgen. Sie will den Kuchen gleich morgen machen, damit
er am Geburtstag am Frühstückstisch steht.
Georg ist aber heute aber mit seinen Gedanken irgendwie abwesend.
"Du brauchst doch nicht extra unter der Woche wegen dem Geburtstag einen Kuchen backen."
Er freut sich aber doch, dass seine Ehefrau wie immer auch für ihn das "Verwöhnprogramm" auflegt. Für Theres gibt es da so wie so kein Pardon. Das wäre ja noch schöner, keinen Geburtstagskuchen zu haben.
Schon ist sie aus dem Haus, erledigt schnell ihre Einkäufe und kehrt bald nachhause zurück.
Georg sitzt ganz in Gedanken versunken am Küchentisch und hat eine Mappe vor sich liegen.
"Was machst du denn da?" ist ihre Frage. Georg meint: "Ich habe heute erfahren, dass ich
zum Beamten ernannt werde. In der Mappe sind alle unsere Papiere, falls mal etwas mit mir
sein soll, dann weißt du, wo die Dokumente sind."
"Jetzt hör aber auf. Übermorgen wirst du sechsunddreißig Jahre alt.  Du sollst dich auf den
guten Geburtstagskuchen freuen!
Komm, freuen wir uns über deine Beförderung. Wir haben doch ein schönes, glückliches
Leben."
"Hast Recht, Theres, aber ich habe in der letzten Nacht schlecht geschlafen und geträumt."
Er steht auf, küsst sie auf die Wange und drückt sie an sich. Sie verbringen gemeinsam mit
den Kindern noch einen schönen Abend.
Mit der Beförderung haben sie doch wieder einen Aufstieg im Leben erreicht.
Der nächste Tag beginnt wie immer die Welt ist wieder total in Ordnung.
Theres backt für Georgs morgigen Geburtstag einen wunderbaren Kuchen.Der Duft zieht verführerisch durch die ganze Wohnung.
Die Mädchen halten sich am Nachmittag in dem Glacis auf. Von dort aus wollen sie gleich
in die Maiandacht gehen. Theres besucht die Maiandacht nicht, aber sie hat für sich einen
eigenen kleinen Maialtar, den sie jedes Jahr aufstellt.
Der Nachmittag schreitet schnell voran. Georg will noch einige Waggons überprüfen. Er
freut sich schon auf den nahenden Feierabend.
Gerade beugt er sich zu einem Waggon herunter und schaut, was da repariert werden muss.
Dabei sieht er nicht, dass sich in seinem Rücken ein Waggon selbstständig gemacht hat und
auf ihm zurollt. Er hört noch ein leises Quietschen, Ein Kollege schreit noch: "Georg
Vorschicht!!"
Er erhebt sich; will schauen. Aber es ist alles zu spät!!
Der Waggon ist schon unmittelbar hinter ihm. Georg befindet sich gerade zwischen den Puffern,
schon wird sein Brustkorb eingequetscht.
Es wird ihm schwarz vor den Augen, er verliert das Bewusstsein. Schnell kommen die Kollegen gelaufen und lösen die Bremse von einem Waggon, damit dieser ein wenig weiter rollt.
Nur so können sie Georg frei bekommen.
Der Doktor wird schnell verständigt. Auch zu Theres in die Wohnung läuft einer.
"Theres, schnell, schnell, komm ganz schnell. Dein Mann ist verunglückt."
Theres springt auf und läuft, rennt, sprintet über die Gleise.
Sie sinkt neben ihren Mann nieder. Blut läuft aus seinem Mund. Sie bettet ihm in ihre Arme.
Der Doktor ist schon eingetroffen und eine Bahre wird auch schon gebracht. Der Arzt schaut
den Verunglückten und dann Theres an. Er schüttelt nur leicht den Kopf.
Georgs Atem rasselt, das Blut sickert weiter aus seinem Mund.
Georg öffnet kurz die Augen, schaut Theres mit einem dankbaren Blick an, fällt zurück.
Es ist vorbei!
Man legt Georg auf die Bahre und fährt ihm in die Bahnhofshalle. Inzwischen ist auch
Thereses Schwester Rosa, die in Ingolstadt wohnt, herbeigeholt worden.
Theres ist wie von Sinnen.. Ihr Geist ist wie betäubt; ihr Körper reagiert wie eine aufgezogene Puppe.
Inzwischen ist die Maiandacht aus und die Mädchen befinden sich auf dem Heimweg.
Da laufen ihnen Kinder entgegen. "Euer Papa ist tot!" rufen sie.
Ja, dann als die Mädchen zu hause sind, erfassen sie die Katastrophe, soweit es ihren
kindlichen Geist  möglich ist.
Theres weiß nicht, wie sie die nächsten Stunden, Tage, Wochen, Monate  überlebt.
Nur in dieser kurzen Zeit ist ihr Haar ergraut.
Oft sperrt sich Theres stundenlang in die Toilette ein. Sie will nicht mehr raus, sie will
nicht mehr leben. Der starke Schmerz umklammert ihr Herz wie eine Eisenzange.
Doch, sie hat zwei Kinder, die brauchen sie. Für diese muss sie weiter da sein.

Ab 1927 Die Witwe

Langsam löst sich in den nächsten Monaten die Starre. Theres nimmt wieder mit
einigermaßen wachen Sinnen am Leben teil. Sie bezieht eine bescheidene Witwenpension. Außerdem hat ihr die Bahnleitung die Stelle als Wiegmeisterin angeboten. Sie übt diese
Position pflichtbewusst und gewissenhaft aus.
So geht das Leben wieder seinen normalen Gang.
Nach den schwarzen Billionenjahren führt Theres mit den heranwachsenden Töchtern
ein verhältnismäßig gutes Leben.
Natürlich hat Theres Verehrer, aber Theres lässt alle abblitzen.
Für sie gibt es keinen neuen Mann.
Als ein Verehrer mal das Waaghäuschen betritt und zudringlich wird, schnauzt sie:
"Verschwinden Sie, oder es passiert etwas!"
Doch der Verehrer gibt sich noch nicht geschlagen. "Komm, eine Frau in den besten
Jahren, braucht doch auch mal etwas anderes."
Da brennen bei ihr die Sicherungen durch. Das "Rabiate" kommt mal wieder durch.
Auf dem Tisch liegt eine große Schneiderschere. Nach der greift sie und stößt diese mit
aller Wucht dem aufdringlichen Verehrer in den Hintern.
Mit einem Aufschrei fasst sich der an seinen blutenden Po und verlässt den Tatort.
Nur gut, dass sein Hemd, seine  Hose und Unterhose den Stich etwas gemildert haben,
aber die Verehrung dieses Mannes ist sie los. Er hat sie nie mehr belästigt.
Dieses Geschehen macht natürlich seine Runde. Theres  wird mit noch mehr Ehrerbietung
und Respekt behandelt.
Doch ganz im hintersten Herzensstübchen hat die kühle, beherrschte Theres auch romantische Gedanken.
In ihrer kargen Freizeit liest sie gerne Liebesromane. Besonders Hedwig Courths-Mahler und Ludwig Ganghofer haben es ihr angetan. Aber auch der Heimatdichter Hermann Löns gefällt
ihr.
Manchmal schreibt Theres in ihrer schönen Handschrift auch Gedichte nieder.
Von einem kenn ich nur noch den Schluss:
"Deckt mich einst die kühle Erde,
Schlägt mein Herz nicht mehr für dich,
Pflanz auf meinen Grabeshügel
Das Blümelein Vergissmeinnicht."
Theres ist ehrgeizig. In der Familie haben alle eine schöne Singstimme und  ein  gutes
Musikgehör. Sie will, dass ihre Kinder ein Instrument spielen lernen. Sie selbst legt sich eine Gitarre zu und spielt diese ohne Kenntnisse der Noten recht passabel. Thea soll Geige lernen.
Die Mutter sucht und findet einen Lehrer, der in Ingolstadt einen guten Ruf hat.
Die ersten Stunden laufen gut, doch dann weigert sich Thea, den Unterricht weiter zu besuchen.
Der Lehrer hat einen schnarchenden Atem. Das kann Thea einfach nicht hören. Selbst Schläge können sie nicht dazu bewegen, die Geige nochmals in die Hand zu nehmen.
Da gibt die Mutter auf. Sie denkt an ihren verstorbenen Mann, der hätte auch nachgegeben.
Maria, die jüngere Tochter soll das besonders in Bayern so beliebte Zitherspiel lernen .Sie ist begabt, hat ein gutes Musikgehör und sie lernt mit Begeisterung. Nicht mal die Blasen an den Fingern, können sie davon abhalten, fleißig zu üben und auch zu singen.
Dieser Liebe zur Musik bleibt sie ihr Leben lang treu.
Später gibt sie diese Liebe an ihre Tochter Beate weiter.

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