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Mia die Feder > I bin da

November 1939

Mutti gibt ihre "Auslandstätigkeit" auf und kehrt heim. Thea will nicht mehr in Heidelberg bleiben, denn der Krieg ist da. Hitler will diesen! Überall wird mobil gemacht. Die Männer werden eingezogen. Soldaten marschieren und alles ist voller Hektik.
Fritz in Ingolstadt ist dann in ihrer Nähe. Darüber freut sie sich, auch wenn seit dem zweiten November Funkstille herrscht.
"Ich muss zu meinem Kind und zu meiner Familie", erklärt Thea der Frau Haller.
Dass ihr auch ein junger Mann dort sympathisch ist, erwähnt sie nicht. Frau Haller hat volles Verständnis für Thea. Obwohl sie nur ungern auf sie verzichten will, ist sie mit der Beendigung der Beschäftigung einverstanden.
So findet einige Tage später ein tränenreicher Abschied  in aller Freundschaft statt. Man will auf alle Fälle in Verbindung bleiben und wenn die Zeiten wieder ruhiger werden, sich gegenseitig besuchen.
Inzwischen ist es November und Thea freut sich, wieder in Lenting zu sein. Sie fühlt sich hier einfach zu hause.
Hitler ist am 1. September in Polen einmarschiert und vergrößert so das Reich.
Rupert hat seinen Einberufungsbefehl auch schon in der Tasche. Zunächst ist er aber noch in Ingolstadt zur Ausbildung. Natürlich kommt er so oft als möglich  nach Lenting.
Es ist Bawett, durch die Thea im Gemeindehaus ein kleines Zimmer mieten kann, obwohl sie die meiste Zeit bei ihrer Schwester verbringt. Aber das Zimmer passt ihr. Der Abort ist gleich im Hof unten und der Brunnen auch. Mutti ist zufrieden.

Maria und Ludwig heiraten und Männer an die Front

Glücklich verkündet Maria der Thea, dass sie seit September schwanger ist. Die Heirat  wird vorbereitet, denn Ludwig ist ebenfalls schon militärisch erfasst. Er muss zu den Gebirgsjägern.
Ihren Ariernachweis haben beide erbracht.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten finden im bescheidenen Rahmen statt. In diesen Zeiten kann man eine Ehe schnell und unkompliziert schließen.
Ludwig und Maria sind glücklich und zufrieden. Ludwig ist auch beruhigt, denn sollte etwas sein, Gott verhüte dies, dann sind wenigstens seine Frau und sein Kind versorgt.
Der Abschied von seiner Frau fällt schwer. Überall auf den Bahnhöfen finden tränenreiche Szenen statt.
Auch Hans wird eingezogen. Momentan ist er in Norddeutschland stationiert. Falls es im Westen zu kriegerischen Handlungen kommen soll, dann wird er dort eingesetzt. Nach der Grundausbildung muss Rupert an die Ostfront.
So hat sich seit September 1939  alles verändert. In der Familie sind  zurzeit keine Männer mehr. Mutti hat gleichzeitig mit ihrer Schwester die Arierbescheinigung erbracht. Man weiß ja nie!

Ich bin immer noch nicht anerkannt

Thea schreibt auch an Fritz, dass sie wieder in Lenting ist.  
Die Vaterschaft für seine kleine Tochter soll er doch endlich anerkennen und Unterhalt für sie bezahlen.
Er gibt keine Antwort.
Mama drängt trotzdem darauf, dass Mutti gerichtlich gegen Fritz vorgehen soll. Der Termin war doch erst am zweiten November und es ist zu keiner Entscheidung gekommen.
Fritz steht zu sehr unter der Fuchtel von seinen Eltern. Mutti ist wütend.

"Soll er doch sein Geld behalten."
"Denk daran," ermahnt Mama, "es geht doch auch um später"

Doch Mutti will nun einfach nichts mehr von Fritz hören. Zu sehr hat er sie verletzt und gekränkt.
Ich bin mit ihrer Handlungsweise keinesfalls einverstanden! Mutti ist doch für mich verantwortlich! Sie muss sich um meine Rechte kümmern! Ich habe doch das Recht, einen gesetzlichen Vater zu haben, der mich gezeugt hat und der zu meinem Lebensunterhalt beitragen muss.
Er hat ihr doch wiederholt  geschrieben, dass ich sein Kind bin und er mich mag! Aber Mutti verwendet in dieser Sache keine weiteren Gedanken mehr.

Meine nächste Zeit

Mama muss oft zum Arbeitseinsatz. Ich bin daher viele Stunden allein.
Kein Mensch spricht ein Wort zu mir. Nur die Geräusche von der Straße unten dringen an mein Ohr. Außerdem höre ich die Kinder der Hausfrau  aus der Wohnküche im Erdgeschoss oder aus dem Garten.
Erna, die älteste, ist sechs Jahre, Fanny vier Jahre, Lina zwei Jahre und Adolf  ist so alt wie ich.

Der Hausherr ist auch eingezogen. So kämpft sich die Weichenriederin, eine verbitterte Frau, mit ihren Kindern durch das Leben.
Wenn Mama  nach hause kommt und ich ihre Schritte auf der Treppe vernehme, werde ich vor Freude fast verrückt. Wenn ich dann auch noch ihr "Kuckuck, kuckuck" höre, kann ich es nicht mehr erwarten, ich stehe im Stubenwagen und führe mich so auf, dass sich dieser auf dem etwas abschüssigen Fußboden in Bewegung setzt und ich ihr entgegen fahre.
Natürlich wachse ich auch. Der Stubenwagen wird in absehbarer Zeit zu klein für mich sein. Außerdem erwartet Tante Nachwuchs und wird diesen brauchen.
Mama überlegt schon, wie sie zu einem Kinderbett kommen kann.
Im Keller hat sie eine ganz, ganz  große Holzkiste. Ja, die wird passen. Damit die Kiste die richtige Betthöhe erreicht, befestigt sie diese auf vier Pflockern. Dann überzieht und verziert sie ihr Werk so, dass ein wunderschönes Kinderbett mit Borten, Rüschen, kleinen Kissen und Deckchen entsteht.
Ich fühle mich darin wie eine Prinzessin.
So bin ich mit der Welt wieder versöhnt.

Die nächste Zeit in Lenting in der Familie und Verwandtschaft

In der Familie vergehen die nächsten Wochen ohne besondere Ereignisse.
Mama bekommt immer wieder Besuch von der Verwandtschaft und macht auch Besuche. Sie hat noch einen Bruder, den Xaver. Er ist ein lieber Mann mit einem roten Schnurrbart. Auch seine Frau, die Bräu-Resl, ist eine angenehme Person.
Mama hat auch noch sechs Nichten, die Resi, die Anna, die Rosa, die Rosi, die Mary, die Kuni und einen Neffen, den Georg.
Aus ihrer ersten Ehe hat sie noch einen Schwager und eine Schwägerin in der Fränkischen.
Vom Hans aus hat sie fünf Schwägerinnen und deren Männer als Schwager.
Jetzt hat sie vom Arbeitsdienst her sogar eine Freundin, die Berta aus Gaimersheim.
In Lenting stehen die Nerbs noch in lockeren Kontakt mit ihr. Der Nerb Sepp ist ein Freund von Hans.
Mama kommt mit allen gut aus. Sie tut niemanden schön ins Gesicht und sie schimpft auch über niemanden.

Warum auch? Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Sie ist immer gastfreundlich, hat immer ein offenes Ohr, wenn jemand Sorgen hat und einen Rat braucht. Man kann sich der Mama anvertrauen. Sie ist verschwiegen wie ein Buch mit sieben Siegeln.

Doch außerhalb brennt die Welt.  Hitler eröffnet immer neue Fronten. Die Männer, die sich zu hause befinden, werden immer weniger. Nur in Lenting ist eigentlich alles wie immer.
Es wird wie immer geheiratet, Kinder werden geboren und wenn man alt genug ist, wird gestorben.

An den Sonntagen besuchen die Lentinger "Amt und Predigt". Die Männer sind in der Kirche rechts, die Frauen, oft noch in Tracht, aber zumindest in gedeckten Farben gekleidet,  links.
Nach der Kirche besuchen die Gläubigen die Familiengräber. Hernach stehen alle noch auf dem Platz vor der Kirche. Man liest die Nachrichten, die im Schaukasten veröffentlicht sind.
Frauen ratschen ein wenig. Die Töchter drehen sich hin und her und achten darauf, dass sie die Aufmerksamkeit der Burschen auf sich ziehen.
Doch wenn die Mütter gehen, dann müssen sie sich anschließen und zu hause helfen, das Sonntagsessen pünktlich auf den Tisch zu bringen.
Die jungen Männer beeilen sich, rechtzeitig in die Sonntagsschule oder in die Christenlehre zu kommen.
Bei den älteren Männern dauert es etwas länger, bis sie die wichtigsten Ereignisse besprochen haben. Doch dann geht es weiter zum Lukas- Hartl- oder Meierwirt zum Frühschoppen  und Kartenspielen.
Noch ist kein Lentinger gefallen. Dies wird auch keiner tun!
Der Krieg wird bald beendet und wie ein böser Traum bald vergessen sein.

Nochmals die Familie

Mutti arbeitet in der Stadt als Bedienung. Tante kann die schwere Arbeit in der Ziegelei nicht mehr leisten und ist nun viel zu hause. Das Kind in ihrem Bauch wächst ohne die üblichen Beschwerden während der Schwangerschaft heran. Sie fühlt sich wohl. Sie betet, dass ihr Kind gesund zur Welt kommt und nie Sommersprossen haben wird. Trotz  ihrer dunklen Haare, ist Tantes Gesicht mit diesen Dingern, die eigentlich ein Vorrecht der Rothaarigen sind, übersät.
Die drei Frauen halten zusammen. Streit unter ihnen hat es noch  nie gegeben und wird es nie geben. Sie verbringen ihre freie Zeit immer miteinander, eigentlich geht es allen den Umständen entsprechend noch gut.

Das Weihnachtsfest 1939

Das Weihnachtsfest kommt heran. Natürlich will man das auch zusammen feiern.
"Feiern" kann man das in diesen kriegerischen Zeiten nicht nennen, besser gesagt, gemeinsam verbringen.
Ein Christbaum wird besorgt; der Baumschmuck und die Krippe werden aus der Bodenkammer hervor geholt.
Die Kleine wird bestimmt den leuchtenden Christbaum bewundern!
Plätzchen, Lebkuchen und Stollen werden gebacken. An die Männer an der Front schicken sie Feldpostpäckchen.
Die armen Männer! Täglich betete man für sie! Hauptsache der Krieg geht bald zu Ende und alle kommen gesund in die Heimat zurück. Weil er verheiratet und seine Frau schwanger ist, bekommt Onkel Ludwig über die Feiertage überraschend Heimaturlaub. Meine Tante ist überglücklich!
Auch mein Onkel schließt seine geliebte Frau voller Zärtlichkeit in die Arme, als er zu hause ankommt.
Vom Krieg erzählt Onkel Ludwig nicht viel. Wie alle hofft auch er, dass dieser bald ein Ende hat.

So verbringen sie den Hl. Abend und die Feiertage doch einigermaßen angenehm. Mutti wischt sich Tränen aus den Augen, wenn sie an Rupert denkt.
Natürlich werden auch die wunderschönen deutschen Weihnachtslieder gesungen, und als Höhepunkt "Stille Nacht, heilige Nacht".

Ich selbst freue mich sehr über den leuchtenden, glitzernden Christbaum und über einige Spielsachen, darunter ein neues "Schepperl," mit dem ich mich unüberhörbar mache und alle etwas nerve.
Viel zu schnell sind die Weihnachtsfeiertage und Neujahr vorbei. Onkel Ludwig muss zurück an die Front!


Das neue Jahr 1940 beginnt

Jeder hat seine Aufgaben und Pflichten zu erfüllen. Ich bekomme nach und nach meine Zähnchen und mein erster Geburtstag ist bald hinter mir. Laufen kann ich nun auch schon und eifrig wackle ich allen entgegen.
Mit meinem kindlichen Geplapper will ich mich bei allen verständlich machen.  

Mama hat den Ehrgeiz, aus mir das perfekte Kind zu machen. Sie versucht, mich schnellstmöglich an das "Haferl" zu gewöhnen. Um das zu erreichen, lässt sie mich oft so lange darauf sitzen, bis ich mein "Ahah" ins Töpfchen und nicht in die Windeln befördere.
Auch den "Dietzl" will sie mir abgewöhnen. Sie nimmt ihn mir weg. Doch ich will einfach nicht darauf verzichten! Alles Schreien und Plärren hilft mir nicht, der Dietzl ist und bleibt in ihren Händen.
Da finde ich einen Ausweg, ich lutsche Daumen. Mama ist davon auch nicht begeistert, aber den Daumen kann sie mir nicht nehmen! Ätsch!!!

Nun, noch eine Besonderheit stellt sie bei mir fest: Wenn sie mir etwas hin hält, dann greife ich mit dem  linken Händchen  danach! Außerdem mache ich mit der linken Hand "De De" und was ich schon essen kann, esse ich auch mit der Linken. Natürlich ist auch der linke mein Lutschdaumen .Gut empfindet sie das alles nicht, wo doch das rechte Händchen das schöne Händchen ist.

 
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