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In Nürnberg

Mia die Feder > g'lebt wird a

In Nürnberg

Als Mutti wieder voll auf dem Damm ist, fährt Mama nach Nürnberg. Ich darf mitfahren.! Der Zug ist überfüllt, aber wir kommen gut an. Um zu Tante Resis neue Wohnung zu kommen, müssen wir Trümmerfelder überqueren. Wir schaffen auch das. Ich werde mit dem Schauen nicht fertig, als ich die Ruinen sehe. Man kann überall in die Wohnungen hineinschauen wie in eine Puppenküche. Auch die Farben und Muster der Wände erkennt man. Vereinzelt stehen sogar noch Möbel in den Räumen, die man wegen Einsturzgefahr nicht mitnehmen kann.

Am Abend, bevor Tante Resi das Licht einschaltet, lässt sie schwarze Rollos herunter, denn das ist Vorschrift.
Am nächsten Tag fahren wir zur Tante Anni und Onkel Karl. Sie wohnen in der Rehdorfer Straße. Mama will mich für ein paar Tage hier lassen während sie vor hat, bei Tante Resi zu bleiben.

Als Mama weg ist, bekomme ich so Zeitlang nach ihr, ich weine den ganzen Tag. Besonders wenn die  Flieger ganz tief über die Köpfe hinweg brummen, fehlt mir Mama. Es gibt auch Fliegeralarm, die lauten Sirenen machen mir Angst. Onkel Karl und Tante Anni tun alles, um es mir schön zu machen.
Tante Anni zeigt mir Baumhäuser, die halbwüchsige Kinder auf den alten Bäumen in der Rehdorfer Straße gebaut haben und dort spielen. Außerdem fährt Onkel Karl mit mir mit dem Motorrad extra eine Runde. Dem Hausherrn von Onkel Karl und Tante Anni, Herrn Bauer darf ich helfen, Tabakblätter Marke Eigenbau, zum Trocknen aufhängen. So geht es mir dann doch langsam besser. Aber trotzdem bin ich froh, als Mama nach einigen Tagen auftaucht, mich abholt und wir zurück nach Lenting fahren. Mama bekommt von Herrn Bauer sogar etwas Tabak, weil ich so fleißig geholfen habe. Ich fahre auch gerne wieder nach Lenting und freue mich auf Beate.


Der Friseurbesuch

Bevor der Herbst kommt, will Mama auch noch zum Friseur. Sie braucht  Dauerwellen. Sie will zu "ihrem Salon", zur Frau Hoffmann in der Kupferstraße in Ingolstadt. Diesmal fahren wir sogar mit dem Zug, damit wir gleich früh daran sind. In einer Metzgerei kauft Mama noch etwas ganz dünn aufgeschnittenen Kalbskäs und einige Brezen ein. Dieser Tag zieht sich unendlich in die Länge. Ich muss die meiste Zeit brav sitzen bleiben und kann immer nur  das gleiche Bilderbuch anschauen, das ich von der ersten bis zur letzten Seite kenne. Wenn wenigsten Beate hier wäre!. Im Salon ist es fast dunkel. Die Glühbirnen leuchten nicht so hell. Mir kommt es vor, als wären die Frauen in einer Folterkammer. Sie haben große Wickler auf dem Kopf, die alle an Kabeln angeschlossen sind. Auf mich wirkt das alles beängstigend.

Es wird gewaschen, gewickelt, gedreht, gefärbt, geschnitten, frottiert, unter großen Hauben getrocknet, onduliert, mit der Brennschere  gearbeitet und frisiert. Es stinkt unheimlich nach Säure und versengten Haaren.. Doch den Frauen macht das alles nichts aus. Sie genießen dabei die Unterhaltung, reden über den Krieg, die Kinder, die Mode und über allen Tritsch und Tratsch. Mama  raucht sogar. Zwischen all diesen Frauen und Geräten bewegt sich  die Meisterin, Frau Hoffmann als große Dame hin und her, gibt Ratschläge zur Farbe, Schnitt und Länge. Für jede ihrer Kundinnen  findet sie  die passenden Worte und gibtAnweisungen an die Friseusen weiter. Wo es notwendig erscheint, greift sie selbst ein.
Am frühen Abend kehren wir dann gut gelaunt heim und Mama führt allen ihr frisch gekräuseltes Haar vor.


Neuigkeiten im Dorf

Der Tag ist in Lenting ruhig verlaufen. Nur der Mittermüller, der Gemeindediener, war mit seiner Glocke unterwegs und hat "ausgeläutet." Dazu kommt er der Reihe nach zu bestimmten Plätzen im Dorf. Dort läutet er eindringlich mit seiner Glocke und fängt dann mit lauter Stimme an: "Bekanntmachung!" Alles, was für die Gemeindemitglieder wichtig ist, wird so verbreitet, denn es gibt keine Lentinger Tageszeitung.
Für mich gibt es in Lenting seit der Geburt meines Bruders Ludwig keine besonderen Neuigkeiten. Oder doch?
Beim Nachbarn Bogner sind neue Leute eingezogen. Es sind Verwandte, die in einer Stadt ausgebombt wurden und sich in Lenting sicherer fühlen. Sie haben eine Tochter, die den schönen Namen "Birgit" hat. Sie gefällt mir so gut. Ihre Haare sind halblang und sie hat einen Pony.  Da sieht sie wunderbar aus. Mich frisiert
Mama jeden Tag gleich; sie macht mir immer einen "Gockel".
Außerdem braucht Birgit nie eine Schürze tragen. Ich beneide sie aus tiefen Herzen. Mir wird jeden Tag eine Schürze angezogen. Wenn es wenigstens eine Trägerschürze wäre! Nein, es ist immer eine altmodische mit Rüschen, die am Rücken geschlossen wird. Ich mag diese nicht! Am liebsten würde mir Mama über die saubere Schürze gleich noch eine zweite anziehen, um ja die schönen, sauberen Sachen zu schonen und nicht schmutzig zu machen. Ich nehme mir fest vor: Wenn ich einmal groß bin, werde ich auch keine Schürze mehr anziehen, und mir einen Pony schneiden lassen. Wenn ich Kinder bekomme, natürlich ein Mädchen, wird dieses "Birgit" heißen.

Aber das sind noch nicht alle meine Lebenswünsche. Da kommen schon noch etliche dazu. Der Hottig Hans, der Enkel vom Meierwirt,  fährt immer mit einem Tretroller die Straße entlang. Das würde mir auch gefallen. Für uns Kinder ist nicht mal ein einfacher Roller da!
Wer aber den Tretroller noch übertrifft, dass ist der Liebl Hans aus der Nachbarschaft. Der hat ein Dreirad.
Das kann man nicht mehr überbieten! Wenn er auf der Straße hin und her fährt, stehe ich unten, und lasse ihn, den Daumen im Mund, nicht aus den Augen. Aber er beachtet mich überhaupt nicht. Wenn ich groß bin, werde ich bestimmt auch einen Roller und ein Dreirad haben und damit spazieren fahren. Falls es gar nicht anders geht, dann werde ich den Hans heiraten, dann muss er mich fahren lassen! Hoffentlich werden meine Wünsche wahr!


 
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